Jiddisch in Hamburg
DenkMalAmOrt: Salomo A. Birnbaum und sein Wirken für Jiddisch in Hamburg
Ausstellung, Spielszenen, Lesung, Musik am 6. Mai 2023
Der Sprachwissenschaftler Salomo A. Birnbaum (1891-1989) hatte ab 1922 an der Hamburger Universität den ersten Lehrauftrag für Jiddistik in Westeuropa inne. In den folgenden 11 Jahren lebte er mit seiner Familie im Grindelviertel. 1933 emigrierte er unter Druck des NS-Regimes nach England. Mitglieder der Salomo-Birnbaum-Gesellschaft für Jiddisch e. V. stellen Leben und Wirken Birnbaums in Kooperation mit der Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte der Universität Hamburg vor. Neben einer Lesung und Ausstellung zu Salomo A. Birnbaum und über das einstige jüdische Leben im Grindelviertel gibt es spielerische Einblicke in die Sprache Jiddisch.
das komplette Programm zu DenkMalAmOrt in Hamburg (6. + 7. Mai 2023) hier
Salomo Birnbaum und die Begründung der Jiddistik an der Hamburger Universität vor genau 100 Jahren
Vortrag am 15. September 2022, nachzuhören und -sehen über die Initiative Lecture2go der Universität Hamburg:
https://lecture2go.uni-hamburg.de/l2go/-/get/v/63386
Vor 100 Jahren, im Herbst 1922, fanden am Allgemeinen Vorlesungswesen der Hamburgischen Universität erstmals jiddische Sprachkurse statt. Durchgeführt wurden sie von Salomo Ascher Birnbaum (1891—1989), dem später international bekannten Jiddisten und Paläographen, der sich schon mit seiner 1918 veröffentlichten jiddischen Grammatik und seiner 1922 erschienenen Dissertation über das Jiddische einen Namen gemacht hatte. Der Hamburger Lehrauftrag war nach Birnbaums späteren Worten „the first modern lectureship for Yiddish in a university“.
Von 1922 bis 1933, 21 Semester lang, lehrte Birnbaum schließlich nicht nur jiddische Sprache, sondern auch jiddische Literatur und Kultur, bis er als Jude von den Nationalsozialisten vertrieben wurde. Obwohl Birnbaum auf seinem Gebiet als Kapazität galt, verhinderten einzelne Mitglieder der Philosophischen Fakultät zweimal, 1926/27 und erneut 1929/30, seine Habilitation.
Nach der NS-Machtübernahme floh Birnbaum mit seiner Familie nach Großbritannien, wo er als Dozent für Paläographie und Epigraphik des Hebräischen sowie für Jiddisch tätig war. Im Jahr 1970 übersiedelte er nach Toronto, wo er 1989 im Alter von 98 Jahren verstarb. Eine offizielle Ehrung durch die Universität Hamburg blieb Birnbaum verwehrt. Der Plan, ihm den Ehrendoktortitel zu verleihen, scheiterte 1985. Mit diesem wurde er im Folgejahr von der Universität Trier gewürdigt.
Die gemeinsame Veranstaltung der 1995 gegründeten Salomo-Birnbaum-Gesellschaft und der Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte der Universität Hamburg erinnert an den bedeutenden Gelehrten Salomo Birnbaum und den Beginn seiner Jiddisch-Kurse vor 100 Jahren — womit auch die Frage nach dem heutigen Umgang mit diesem Erbe verbunden ist.
Maike Spieker an der Bass-Klarinette beim musikalischen Ausklang des Abends
Leyb Kvitkos Erzählung "Arum a shif", dos drayuntsvantsigste yor
Vortrag am 28. August 2022
Der jiddisch-sowjetische Dichter Leyb Kvitko (1890/1893-1952) verbrachte die Jahre 1922-1926 in Hamburg und arbeitete im Hamburger Hafen bei der Lagerung von Fellen vom Rio Grande. Von dieser Zeit handelt sein biografisch geprägter Erzählzyklus „Riogrander Fel“.
Die SBG-Mitglieder Marlies Ehlers und Inge Mandos haben sich in die umfangreichste der vier Erzählungen vertieft: „Arum a shif“. Ausgehend von den realistischen Beschreibungen des damaligen Stadtbildes haben sich die beiden hineinziehen lassen in die Aktivitäten des kommunistischen Untergrunds und in die konspirative und abenteuerliche Aktion „arum a shif“ (um ein Schiff). Da gibt es Spione und Verräter, zwielichtige Frauengestalten, spannende Bewährungsproben für den jungen Helden und vor allem den ironisch kritischen Blick des Verfassers auf die damaligen historischen Verhältnisse, der oft zum Schmunzeln reizt. Die Geschichte erhellt anschaulich die sozialen Probleme und politischen Auseinandersetzungen in der Zeit der Weimarer Republik. Die beiden Referentinnen enthüllen in ihrem Vortrag Schicht für Schicht der komplex komponierten Geschichte. Zahlreiche Zitate aus dem Werk verdeutlichen, wie die Weimarer Republik auf Jiddisch klingt: vertraut und verfremdend.
Kvitko, der 1926 in die Sowjetunion zurückgekehrt war, wurde im Zuge einer antijüdischen Kampagne Stalins 1949 verhaftet und am 12./13 August 1952 zusammen mit 14 weiteren jüdischen Schriftstellern und Intellektuellen in Moskau hingerichtet.
Stadtrundgang: Jiddisch in Hamburg, gab es das?
am 23. Oktober sowie am 6. November 2021
Infolge von Pogromen und wirtschaftlicher Not kam es zu mehreren großen Emigrationswellen aus Osteuropa, besonders von jiddischsprachigen Juden, die seit Ende des 19. Jahrhunderts über Hamburg in die USA emigrierten. Etliche von ihnen strandeten in Hamburg.
Wo blieben diese Menschen? Was taten sie? Waren sie alle nur „arme Schlucker“, die die Behörden und die Jüdische Gemeinde vor ein „Ostjudenproblem“ stellten, oder gab es unter ihnen auch Gelehrte, Künstler oder Kaufleute? Trat die jiddische Sprache im Hamburger Stadtleben überhaupt in Erscheinung oder war sie auf ein paar Gelehrte und Völkerkundler beschränkt?
Inge Mandos, Sängerin und Jiddischaktivistin, geht bei einem Rundgang von der Sternbrücke durch das Grindelviertel diesen Fragen nach und wirft Schlaglichter auf Intellektuelle, Abenteurer, Waisen, Irre, Rebellen, brave Bürger und Dichter, die sich alle dieser Sprache bedienten und an konkreten Orten unserer Stadt lebten, arbeiteten oder darbten. Der jiddische Teil der jüdischen Kultur, bisher in Hamburg wenig präsent, erweist sich als kleiner, aber lebendiger Teil Hamburger Stadtgeschichte.
Konferenz: Jiddisch in Hamburg (24. Oktober 2021)
Glikl: Texte und Kontexte. Vortrag von Dr. Diana Matut
Glikl (bas Yehude Leyb oder Glikl eyshes reb Khayim Hamel) ist eine der berühmtesten aschkenasischen Frauen, deren Leben gewöhnlich in Superlativen erzählt wird. Und in der Tat ist es angemessen, ihre Leistungen und Erfolge mit Respekt und Anerkennung zu würdigen. Es ist jedoch ebenso wichtig, den Kontext ihrer Zeit, jüdisches Frauenleben im Allgemeinen, die Arbeitswelt, Literatur und das soziale Gefüge der aschkenasischen Gemeinden in das Gesamtbild einzubeziehen. Dabei soll es natürlich nicht darum gehen, das zu schmälern, was Glikl hinterließ, sondern darzustellen, dass ihre Biographie im Kontext jüdischen Frauenlebens des 17. und 18. Jahrhunderts, obwohl sie ein Teil der Elite war, durchaus auch "gewöhnlich" war.
Dr. Diana Matut lehrt Yiddish und Jüdische Musik an verschiedenen Universitäten, darunter Halle (Wittenberg), Heidelberg und Oxford. Sie war Fellow am YIVO (New York) und am Oxford Centre for Hebrew and Jewish Studies, wo sie von 2019-2020 eine Forscher*innengruppe zu jüdischer Musik der Zeit von 1500-1750 leitete. Neben ihrer akademischen Karriere ist sie Sängerin der Gruppe simkhat hanefesh, die jüdische Musik aus Renaissance und Barock aufführt. Gemeinsam mit Josh Horowitz brachte Diana Matut im Rahmen des Henekh-Kon-Projekts die einzige erhaltene jiddische Oper aus dem Vorkriegseuropa zur Wiederaufführung (https://vimeo.com/375097552). Das Kadya-Molodowsky-Projekt mit Vertonungen jiddischer Kinderlyrik brachte sie gemeinsam mit Alan Bern zur Aufführung.
Nisters Symbolismus. Vortrag von Dr. Daniela Mantovan
Rätsel, Labyrinthe, Symbole, Verse und melodischer Fluss der Worte - die Werkzeuge eines kryptischen enigmatischen Schriftstellers - verbinden Den Nister mit seinen jüdischen Zeitgenossen Kafka und Bruno Schulz, seinen Symbolismus mit den Protagonisten dieser literarischen Strömung in Russland und Europa, seine jüdische Erziehung mit den Kabbalisten und dem Mystiker Nakhman Bretslaver, und seine Leidenschaft für Folklore, Legenden, Mythen und Märchen mit der Kinderliteratur. Der Vortrag wird einige Aspekte von Nisters komplexem und exzentrischen literarischen Werk thematisieren, insbesondere wird die Erzählung „Tsigayner“ (1923) untergründige, manchmal beunruhigende Fragen aufwerfen.
Nach der Promotion in deutscher Literatur an der Universität Rom La Sapienza und einem PhD in Yiddish Studies an der Columbia University New York lehrte Daniela Mantovan jiddische Literatur und Sprache an der Universität Heidelberg und an der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg. Sie hat Artikel und Essays über moderne jiddische Literatur, insbesondere über jiddisch-sowjetische Autoren veröffentlicht und zu Nachschlagewerken wie Encyclopaedia Judaica (2nd Edition) und Dictionary of Literary Biography (2007) beigetragen sowie Werke jiddischer Autoren ins Deutsche und Italienische übersetzt. Aus Anlass des hundertjährigen Jahrestages der Geburt von Isaac Bashevis Singer organisierte sie die erste jiddische internationale Tagung in Rom im Jahr 2004 und begleitete im Jahr 2013 als Herausgeberin die Veröffentlichung des Bandes Yiddish Poets and the Soviet Union, 1917- 1948. Ab 2015 leitete sie das von der DFG geförderte Forschungsprojekt „Sovetish heymland“ (1961-1991) Navigationshilfen und kritischer Kommentar zu einer jiddisch-sowjetischen literarischen Zeitschrift.
Tutti am Ende der Musikgala Tsuzamen
A Mekhaye
Tsuzamen. Musikgala mit...
1. SCHMAROWOTSNIK: Christine von Bülow (Oboe, Englischhorn, Gesang) und Martin Quetsche (Akkordeon, Gesang)
2. KLEZMERATA: Kateryna Ostrovska (Gitarre, Gesang), Guido Jäger (Kontrabass)
3. A MEKHAYE: Stefan Goreiski (Akordeon), Taly Almagor (Violine), Maike Spieker (Klarinette), Anna Vishnevska (Gitarre, Gesang)
4. STELLAS MORGENSTERN: Stella Jürgensen (Gesang) und Andreas Hecht (Gitarre)
5. SCHMATTES: Stella Jürgensen und Inge Mandos (Gesang) und Andreas Hecht (Gitarre)
5. ENSEMBLE WAKS: Inge Mandos (Gesang), Klemens Kaatz (Piano), Hans-Christian Jaenicke (Violine)
6. HAMBURG KLEZMER BAND: Mark Kovnatskiy (Violine, Gesang), Stanislav Dinerman (Akkordeon), Mikhail Manevitch (Tuba)
Renate Gültzow_Nachlese zum 25+1stn Jubiläum
Rede Danka Kowalski zum SBG-Jubiläum 24.10.2021
Flyer zur 4teiligen Veranstaltungsreihe im Rahmen von 2021JLID
Meshuge aus Heimweh – Amerika-Rückwanderer in der Anstalt Friedrichsberg
entwickelt aus dem Theaterstück "Wahnsinn aus Heimweh" (Medizinhistorisches Museum, 2018)
Performative Lesung mit Benjamin-Lew Klon am 19. September 2021
Die Theateraufführung „Wahnsinn aus Heimweh“ beleuchtet ein bedrückendes Kapitel ostjüdischer Emigration über Hamburg in die USA. Anfang des 20. Jahrhunderts verhinderte die Immigrationsbehörde auf Ellis Island die Einreise vieler Auswanderer, indem sie diese als „geisteskrank“ stigmatisierte und zurückschickte, darunter jiddischsprachige Ostjuden. Eingewiesen in die Irrenanstalt Hamburg-Friedrichsberg, machte die Unkenntnis des Jiddischen eine angemessene Behandlung unmöglich. Basierend auf alten Krankenakten entstand eine „dokufiktionale Inszenierung“ mit heute wieder aktueller Thematik.
Teil der Veranstaltungsreihe 2021 - 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
Hamburg aus dem „Kukvinkl“ des jiddisch-sowjetischen Autors Leyb Kvitko
Musik (Ensemble SCHMATTES) und Lesung (Stella Jürgensen) am 22. August 2021
Übersetzung jiddischer Texte: Marlies Ehlers, Renate Gültzow, Inge Mandos
Textbearbeitung: Inge Mandos, Stella Jürgensen
Der sowjetische Autor Leyb Kvitko verfasste 1923 eine detaillierte Beschreibung von Hamburg zur Zeit der Weimarer Republik. Kaleidoskopartig bildet sein Erzähl-Zyklus „Ba Riogrander fel“ Aspekte des damaligen politischen und gesellschaftlichen Lebens ab. Sein Bericht über den Hamburger Aufstand, seine bittere und ironische Sicht sind spannend und entlarvend. Die Lesung aus seinem jetzt von der Salomo-Birnbaum-Gesellschaft ins Deutsche übersetzten jiddischen Werk wird verbunden mit Zeitzeugnissen, Bildern und Musik der 20er Jahre (z.B. R. Gilbert, Gebr. Wolf), dargeboten vom Hamburger Ensemble „SCHMATTES“.
Teil der Veranstaltungsreihe 2021 - 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
Glikl von Hameln – Kaufmannsfrau aus Hamburg und Altona
Jiddische Lieder und Musik aus der Zeit von Renaissance und Barock (1500-1800)
Ensemble simkhat hanefesh "Freude der Seele" und Stella Jürgensen (Lesung) am 26. Juni 2021
Glikl von Hameln, erfolgreiche Kaufmannsfrau aus Hamburg und Altona, verfasste ab 1691 die erste weibliche Autobiografie in westjiddischer Sprache. Sie berichtet von ihrem Leben als früh verwitwete jüdische Kaufmannsfrau und zwölffache Mutter: von Geschäften, Eheschließungen, Gemeindeleben, beschwerlichen Reisen, Zeitereignissen und jüdischer Tradition. In Verbindung mit altjüdischen Liedern und Musik aus Renaissance und Barock, sorgfältig recherchiert und dargeboten vom Ensemble simkhat hanefesh, werden die von Stella Jürgensen eindringlich gelesenen Textauszüge lebendig.
Teil der Veranstaltungsreihe 2021 - 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
Salomon Maimon – Wanderer zwischen den Welten
Vortrag (Dr. Daniel Elon, Ruhruniversität Bochum) mit Lesung (Peter Bieringer)
Textbearbeitung: Inge Mandos
als Stream über Youtube (live am 30. Mai 2021 aus dem Goldbekhaus): https://youtu.be/_PzWSVTheMo
Salomon Maimon, streitbares Genie aus Polen-Litauen, durchstreifte Ost- und Mitteleuropa auf der Suche nach der Wahrheit. Während dieser abenteuerlichen Reise eckt der Talmudschüler mit seiner Provokationslust und seinem schlechten Benehmen überall an, findet aber auch renommierte Bewunderer, wie Moses Mendelsohn und Immanuel Kant. Als Aufklärer ist er auch repräsentativ für den Ende des 18. Jahrhunderts eingeleiteten „Sprachwechsel“ vom Jiddischen zum Hochdeutschen. Durch einen Aufenthalt im Hamburger Christianeum (1783 bis 1785) versuchte er, seine Deutschkenntnisse zu verbessern.
Teil der Veranstaltungsreihe 2021 - 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
Kalman Weiser (York University Toronto): Vom weltlichen Zionismus zur Agudath Israel: Yidishkeyt und Sprache bei der Familie Birnbaum
8. Dezember 2019, Salomo-Birnbaum-Bibliothek im Gästehaus der Universität, Rothenbaumchaussee 34
פֿונעם וועלטלעכן ציוניזם ביז דער אגודת-ישראל: ייִדישקייט און לשון בײַ די בירנבוימס
נתן, שלמה און יעקבֿ בירנבוים – דרײַ דורות פֿון איין מערקווערדיקער משפּחה. יעדערער האָט זיך איבערגעגעבן מיט לײַב און לעבן אויף אַן אוניקאַלן אופֿן דער ייִדישער קולטור און דעם ייִדישן קיום. דער טאַטע איז געווען אַ פֿריִעקער ייִדישער נאַציאָנאַליסט און געשאַפֿן דאָס וואָרט ״ציונזים״ אינעם האַבסבורגישן ווין. שפּעטער, ווי אַ ייִדישיסט, האָט ער אָרגאַניזירט די באַוווּסטע טשערנאָוויצער שפּראַך-קאָנפֿערענץ אין 1908 - נישט לאַנג נאָך איידער ער איז געוואָרן אַ פֿרומער ייִד און אַנטי-נאַציאָנאַליסט. דער זון, וואָס האָט אײַנגעפֿירט ייִדיש-קורסן אין האַמבורגער אוניווערסיטעט אין די 1920ער יאָרן, איז געוואָרן איינער פֿון די גרעסטע ייִדיש און העברעיִש-פֿאָרשערס נאָר אויך אַַ פֿאַרביסנער שונא פֿונעם וועלטלעכן ייִדישיזם און ציוניזם. און דער אייניקל האָט געשאַפֿן די סטודענטישע באַוועגונג אין אַמעריקע צו באַפֿרײַען די סאָוועטישע ייִדן. ס׳איז שווער זיך אויסצומאָלן די געשיכטע פֿון ייִדן און ייִדיש אין 20טן י״ה אָן זייערע קאָלאָסאַלע אויפֿטוען
Professor Keith (Kalman) Weiser von der York University Toronto, der in Fachkreisen als herausragender Experte für die Geschichte des Jiddischen gilt, pflegt einen engen Kontakt zu der Familie Birnbaum in Toronto. Er hat eingehend zu Nathan und Salomo Birnbaum und dessen Söhnen geforscht. Weiser ist u.a. auch Mitherausgeber von „Solomon Birnbaum's Yiddish: a Survey and a Grammar".
Konferenz anlässlich des 20. Jubiläums der Gesellschaft 26.-27. September 2015
Plakat mit allen Terminen der Konferenz
Einführung in die Konferenz in deutscher Sprache:
Als sich die Gesellschaft 1995 gründete und nach Salomo Birnbaum benannte — der als erster Lektor an einer deutschen Universität in Hamburg von 1922-1933 Jiddisch lehrte und direkt nach der Machtergreifung nach England emigrierte —, stand der Gedanke im Vordergrund, diesen außergewöhnlichen Wissenschaftler zu ehren und den Wunsch zum Ausdruck zu bringen, dass Jiddisch an der Hamburger Universität eine Zukunft haben möge.
Salomo Ascher Birnbaum (1891-1989) war eine einzigartige Erscheinung unter den Sprachwissenschaftlern seiner Zeit: einerseits Wissenschaftler westlicher Prägung andererseits zur Orthodoxie „konvertiert“. Unter denjenigen, die in jener Zeit die jiddische Sprache normieren wollten, war er der einzige, der das auf traditionell-religiöser Basis tun wollte und stand damit außerhalb aller Lager.
Im Gegensatz zu den Sprachnormierern des YIVO-Instituts oder in der Sowjetunion sah Birnbaum die jiddische Sprache als aus dem Judentum entstanden und als nur innerhalb eines religiösen Judentums lebensfähig an. Ihm ging es nicht um die Verbesserung der Sprache um ihrer selbst willen, sondern sie diente ihm, neben Namen und Kleidung, als wichtiges Mittel zur Absonderung der Juden von den anderen Völkern.
Dabei sah er die jiddische Sprache in großer Gefahr: sowohl von außen durch die jeweiligen Nationalsprachen, die an staatlichen Schulen gelehrt und vermehrt auch in jüdischen Haushalten gesprochen wurden, als auch von innen durch säkularen Jiddischismus, Zionismus und Nationalismus. Die jiddische Sprache sei, so Birnbaum, im Exil unter Juden, „in goles bay yidn“. Die Erlösung aus diesem Exil wollte er erreichen durch die drei Säulen „yidishkayt, anti- daytshmerism un dorem-yidish“.
Die Konferenz beschäftigt sich mit den sprachideologischen Vorstellungen Birnbaums, wie die jiddische Sprache in ihrer früheren, unbeschädigten Gestalt wieder herzustellen sei. Nämlich ohne den schädlichen Einfluss der „alten“ Haskala, die das Jiddische zu einem Jargon herabgewürdigt und versucht hatte, es durch „Daytshmerismen“ zu „verbessern“, wie der „neuen“ Haskala Vilnaer Provenienz, die nach Birnbaums Ansicht fremde Sprachen zu imitieren suchte und damit Jiddisch zu einer beliebigen europäischen Sprache unter anderen machte.
In diesem Kontext sind Birnbaums Bemühungen zu verstehen, eine jiddische Orthographie auf Basis von „dorem-yidish“ (Zentral- und Südost-Jiddisch) zu schaffen, denn erstens waren so 3/4 aller Jiddischsprecher repräsentiert, und zweitens sollte die Sprache der religiösen Bevölkerung nicht von säkularisierten Litvakern dominiert werden. Fast vergessen ist heute, dass die Orthografie Birnbaums zwischen den Kriegen an den polnischen Beys-Yankev-Schulen gelehrt wurde und damit mehr Schülern vermittelt, als an allen säkularen jüdischen Schulen in Polen zusammen. Die Orthografie sollte nur den Anfang bilden bei dieser Befreiungstat, weitere Felder wie Stil, Grammatik und Lexik sollten folgen. Die Grundlage hierfür wollte Birnbaum als Leiter eines „ashkenazishn tsenter“, der jiddischen Abteilung innerhalb eines zu errichtenden Nahsprachen- Instituts schaffen.
Dies sind die Hauptthemen der Konferenz, die zusätzlich eine Führung durch die Salomo- Birnbaum-Bibliothek beinhaltet und eine szenische Lesung aus Materialien der Czernowitzer Sprachkonferenz 1908, die von Nathan Birnbaum, Salomo Birnbaums Vater initiiert wurde. Salomo Birnbaum führte damals das Protokollbuch, das im 1. Weltkrieg verloren ging.
אַרײַנפֿיר׃ אַ קאָנפֿערענץ לכּבֿוד שלמה בירנבויִמ אין האַמבורג
װען מען האָט געגרינדעט די געזעלשאַפֿט אין 1995 און אױסגעקליבן דעם נאָמען פֿון שלמה בירנבױם —װאָס איז געװען דער ערשטער לעקטאָר פֿאַר ייִדיש אין אַ דײַטשער אוניװערסיטעט, אין האַמבורג ,1922-1933, און האָט פֿאַרלאָזן דײַטשלאַנד תּיּכּף נאָכדעם װי די נאַציאָנאַל-סאָציאַליסטן האָבן ״דערגרײכט״ די מאַכט ,— האָט מען קודם-ּכל געװאָלט אָּפגעבן כּבֿוד דעם אָ אױסערגעװײנטלעכן װיסנשאַפֿטלער און אױסדריקן דעם װוּנטש, אַז ייִדיש זאָל האָבן אַ צוקונפֿט אין האַמבורג
שלמה אשר בירנבוים (1891-1989) איז געװען אַן אוניקאַלע דערשײַנונג צװישן די לינגװיסטן פֿון זײַן דור: אַ װיסנשאַפֿטלער, װאָס האָט שטודירט אין מערבֿדיקע אוניװערסיטעטן און איז פֿאָרט געװען אַן אָרטאָדאָקס. פֿון אַלע װאָס האָבן דעמאָלט געשטרעבט צו נאָרמירן די ייִדישע שּפראַך, האָט נאָר ער אַלײן געװאָלט דאָס טאָן אױף אַ טראַדיציאָנעל-רעליגיעזער באַזע. דערמיט איז ער געשטאַנען ״מחוץ למחנה״
להיּפוך צו די שפּראַכנאָרמירער פֿון ייִװאָ אין װילנע אָדער פֿון ראַטנפֿאַרבאַנד האָט ער געמײנט, אַז ייִדיש איז דאָך טאַקע אַרױסגעװאַקסן פֿון ייִדישקײט און קען איבערלעבן נאָר צוליב ייִדישקײט. ס׳איז אים נישט געגאַנגען אין פֿאַרבעסערן די שפּראַך ״לשמה״ נאָר די שפּראַך איז פֿאַר אים — אַחוץ נעמען און מלבוש — געװען אַ װיכטיקער מיטל זיך אָפּצוזונדערן פֿון די גוייִם
דערװײַל האָט ער געזען, אַז ייִדיש שטײט אין אַ סכּנה: פֿון אױסנװײניק —אין די אַלע װעלטלעכע שולן האָט מען געלערנט אין די פֿאַרשײדענע נאַציאָנאַלשפּראַכן און אױך אין דער ייִדישער הײם האָט מען אַלץ מער גערעדט פּױליש, רוסיש , א.א.װ., און אױך פֿונעם ייִדישן צד גופֿה, פֿון ייִדישיזם, פֿון ציוניזם און פֿון נאַציאָנאַליזם. לױט בירנבױם איז ייִדיש דעמאָלט געװען ״אין גלות בײַ ייִדן״ און די גאולה האָט ער געװאָלט בױען אױף די דרײַ זײַלן ״ייִדישקײט״,״אַנטי-דײַטשמעריזם״ און ״דרום-ייִדיש״
די קאָנפֿערענץ װעט זיך פֿאַרנעמען מיט בירנבױמס שפּראַך-אידעאָלאָגישע פֿאָרשטעלונגען, װי ער האָט געװאָלט צוריקברענגען ייִדיש צו זײַן אַמאָליקער, רײנער פֿאָרעם, אָן דער שעדלעכער השפּעה פֿון דער ״אַלטער״ הׂשכּלה, װאָס האָט געטענהט אַז ייִדיש איז נאָר אַ ״זשאַרגאָן״ און געפּרוּװט עס ״פֿאַרבעסערן״ מיט דײַטשמעריזמען, און אָן דער השפּעה פֿון דער נײַער, װילנער הׂסכּלה, װאָס לפֿי בירנבױם אימיטירט נאָר אַנדערע שפּראַכן און מאַכט דערמיט פֿון ייִדיש אײנע צװישן אַנדערע אײראָּפעישע לשונות
אױף דעם סמך דאַרף מען פֿאַרשטײן בירנבױמס באַמיִונגען צו שאַפֿן אַ נײַע ייִדישע אָרטאָגראַפֿיע באַזירנדיק אױף דרום-ייִדיש, װײַל ערשטנס האָבן דאָס גערעדט דרײַ-פֿערטל פֿון דער ייִדיש-רעדנדיקער באַפֿעלקערונג און צװײטנס כּדי װעלטלעכע ייִדישיסטן פֿון װילנער קאָליר זאָלן נישט געװעלטיקן איבער די רעליגיעזע ייִדן. כּמעט שױן פֿאַרגעסן איז דער פֿאַקט אַז צװישן די צװײ װעלט-מלחמות האָט מען געלערנט בירנבױמס טראַדיציאָנעל-אָרטאָדאָקסישן אױסלײג אין אַלע בית-יעקבֿ-שולן אין פּױלן,װוּ ס׳האָבן זיך געלערנט מער תּלמידים װי אין אַלע װעלטלעכע שולן אין פּױלן צוזאַמען. און דאָס האָט נאָר געזאָלט זײַן דער אָנהײב פֿון דעם תּיקון פֿון ייִדיש. װײַטערדיקע ענינים װי סטיל, גראַמאַטיק און לעקסיק האָבן געזאָלט פֿאָלגן. אַ יסוד פֿאַר דעם האָט בירנבױם געװאָלט שאַפֿן אין אַן ״אשכּנזישן צענטער״, דעם ייִדישן אָפּטײל פֿון אַ פּלאַנירטן אינסטיטוט פֿאַר נאָענטע שפּראַכן (ד.ה. נאָענט צו דַײטש) ,װאָס איז אָבער אין דער נאַציאָנאַל-סאָציאַליסטישער תּקופֿה שױן נישט מקוים געװאָרן
דאָס זענען בקיצור די הױבט-טעמעס פֿון דער קאָנפֿערענץ. אַחוץ דעם װעט מען נאָך באַזוכן די שלמה-בירנבױם-ביבליאָטעק און הערן אַ רעציטאַציע פֿון מאַטעריאַלן פֿון דער טשערנאָװיצער שּפראַך-קאָנפֿערענץ ,1908 װאָס איז צונױפֿגעקומען דורך דער איניציאַטיװ פֿון נתן בירנבױם, שלמה בירנבױמס טאַטן. שלמה בירנבױם האָט דעמאָלט געשריבן דעם פּראָטאָקאָל-בוך, װאָס איז פֿאַרלױרן געגאַנגענ אין דער ערשטער װעלט-מלחמה
Dr. Hans-Walter Stork: Salomo Birnbaum als Benutzer der hebräischen Handschriften 1922-1933 in der Staatsbibliothek
Vortrag am 28. September 2014, Jüdisches Kulturhaus
Salomo Birnbaum hat von 1922 bis zu seiner Flucht ins Exil sämtliche hebräischen Handschriften der damaligen Stadtbibliothek genutzt. Was kann an Hand dieses Nutzerprofils über den Wissenschaftler und Sprachforscher geschlussfolgert werden? Dieser Frage widmet sich Dr. Hans-Walter Stork, seit 2005 Handschriftenbibliothekar an der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg.
Mirjam Gutschow (Amsterdam): Das verhinderte Pogrom in Hamburg 1730. Das jiddische Geschichtswerk Sheyres Yisroel.
Vortrag am 26. Juni 2003
Hugh Denman (London): Leben + Werk Salomo Birnbaums
Vortrag am 5.12.2001